Mit Extended Reality zeigt BIM seinen wahren Wert
Neue Impulse für Architektur und Bauwesen: Die Art, wie wir Gebäude entwerfen, bauen und instand halten ändert sich mit BIM (Building Information Modeling) auf bahnbrechende Weise. Und dank Extended Reality können wir sie nun auch anders sichtbar machen, verstehen und verwalten.
Architect and UX Expert
BIM ist seit ein paar Jahren allgegenwärtig, und doch bleibt es ein anspruchsvolles, hoch komplexes Thema. Die Abkürzung steht für Building Information Modeling, und im Gegensatz zu den weithin bekannten 3D-Modellen ist BIM sehr viel mehr als ein Mittel zur visuellen Darstellung. Der wahre Wert von BIM liegt in den Informationen, mit denen sich sämtliche Phasen im Bauprozess rationeller gestalten lassen. Und nun eröffnet die Einführung der Extended-Reality-Technologie (XR) wichtige neue Wege, um BIM-Informationen vor Ort zu nutzen
Viele Jahre lang war der Bauprozess linear und in abgeschlossene Phasen aufgeteilt: erst die Architektenzeichnung, dann der Bauentwurf des Ingenieurs und anschliessend die detaillierte Ausarbeitung zur Infrastruktur. Das Ergebnis wird dann an Baumannschaft und Projektleiter weitergereicht, die Zeitplan und Kostenschätzung erstellen. Während der Bauphase kommt es fast unvermeidlich zu Problemen mit den ursprünglichen Plänen, es folgen Entwurfskorrekturen und Änderungsaufträge, während die Bauarbeiten ruhen – und Fristen und Kosten aus dem Ruder laufen.
Mit BIM sieht dieser Prozess ganz anders aus. Es ermöglicht uns die Zusammenarbeit in Echtzeit und effizientes Arbeiten im Bauprozess. Mit BIM lassen sich exakte virtuelle Gebäudemodelle erstellen, um zahlreiche Parameter zu simulieren; zum Beispiel die thermische Effizienz einer Wand anhand echter Wetterdaten berechnen oder Lüftungskanäle auf den optimalen Luftstrom auslegen. Simulationen helfen zu verstehen, wie sich das Gebäude verhalten wird, und mindern Risiken durch Vorhersage von Fehlern oder kollidierenden Bauelementen schon in der ersten Entwurfsphase – vor Beginn der Bauarbeiten. Und das ist längst nicht alles: BIM kann über den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes eingesetzt werden, von der Instandhaltung nach Fertigstellung bis irgendwann zum Abriss.


BIM verändert sich mit Extended Reality
3D-Modelle sind seit Jahren Standard in Architektur und Bauwesen, und innerhalb der BIM-Software dienen sie ebenso als Konstruktionswerkzeug wie zur Darstellung von Informationen. Extended Reality (XR) – die Fähigkeit zur Anreicherung von Wirklichkeit durch Visualisierung digitaler Inhalte und Interaktion damit – beeinflusst, wie BIM-Daten verwendet und erlebt werden.
- In der Entwurfsphase können Architekten und Konstrukteure das Potenzial von XR nutzen, um Entwürfe effektiver zu visualisieren und beurteilen.
- Auf der Baustelle nützt BIM dem Bautrupp durch schnelleren Zugriff auf benötigte Informationen. Weil XR digitale Inhalte über das Bild legt, das wir real vor uns sehen, können BIM-Daten auf ganz neue Art präsentiert werden.
- BIM in Verbindung mit XR zeigt Ihnen das Unsichtbare: einfach mit Ihrem Gerät in die gewünschte Richtung weisen, und Sie sehen, wo sich die Bauelemente befinden. Noch vor dem ersten Betongiessen oder Mauerstein können Architekten exakt visualisieren, wie sich das Gebäude in die Umgebung einfügt, und Ingenieure können entscheiden, welche Bauelemente nötig sind.
- Projektleiter können nach Bedarf Bauelemente bildlich darstellen und effektiv mit Gewerken wie Elektro- und Sanitärinstallation und Klimatechnik zusammenarbeiten. Dank XR können Teams ermitteln, welche Elemente eventuell miteinander kollidieren und so potenziell kostspielige Fehler vermeiden.
Die Daten sind stets aktuell, und es muss nicht mehr mit Papierplänen hantiert werden. Der gesamte Prozess ist intuitiv und niedrigschwellig: weil XR eine immersive Technologie ist, verstehen auch baufremde Beteiligte schnell, worum es geht, was mit herkömmlichen Zeichnungen und Grundrissen oft schwer vermittelbar ist.
Ein Beispiel zur Erläuterung: Instandhaltung und Haustechnik
Ein Bereich, der das Potenzial von XR in Verbindung mit BIM ausschöpfen kann, ist Instandhaltung und Facility Management. Die regelmässige Inspektion und Wartung der Gebäudeinfrastruktur – HLK und TGA-Komponenten wie Wasserrohre, Verkabelung usw. ist während der gesamten Lebensdauer eines Gebäudes wichtig. In der Praxis ist das aber nicht immer so einfach. Manchmal verbirgt sich die Infrastruktur hinter Wänden und Decken, und das Wartungspersonal muss Zeit und Mühe aufwenden, um herauszufinden, wo genau Luftschacht oder Elektroleitung liegen.
Ein Beispiel, wie Extended Reality hilft, diesen Prozess zu optimieren, ist die von ELCA entwickelte Lösung FILAR. Dank der Integration des Standard-Datenexportformats IFC für BIM können die Techniker ohne GPS-Lokalisierung ihre Position im Gebäude bestimmen (Geschoss, Raum, Richtung). Dies erfolgt anhand physischer Kennpunkte, die ohnehin im Gebäude vorhanden sind, wie z. B. ein Netz von Sprinklerdüsen. Nach erfolgter Positionsbestimmung können Techniker mithilfe von Extended Reality sofort die gesamte Infrastruktur auf dem Bildschirm sehen und das auswählen, was für die Aufgabe gerade wichtig ist. Die Bedienung ist intuitiv, die Techniker müssen keine Papierpläne mehr benutzen oder Maschinenschaltpläne prüfen.
Kontextbezogene Daten wie Informationen von IoT-Systemen, die mit dem Inspektionsobjekt verbunden sind, lassen sich abfragen und in Echtzeit am Bildschirm anzeigen: besonders hilfreich, um den Wasserdruck im Rohr oder den Luftstrom im Luftkanal zu ermitteln. Eventuell erforderliche Änderungen oder Anpassungen können direkt in der App dokumentiert werden, auch Angaben dazu, welches Teil betroffen ist, um spätere Wartungsarbeiten wesentlich schneller und präziser zu machen. Diese Informationen lassen sich in Echtzeit aktualisieren, und das hilft nicht nur Wartungstechnikern: Bei Begehungen können TGA-Planer die Bauelemente in Extended Reality ändern und anpassen, um Konflikte vorab zu ermitteln, und die Daten an das Team im Büro senden.


Ein Riesenfortschritt für viele Branchen
Mit einem prognostizierten weltweiten Marktwachstum um mehr als 13 Milliarden in den kommenden 5 Jahren ist BIM weit mehr als eine Modeerscheinung. BIM wird nicht nur entlang der gesamten Wertschöpfungskette in Architektur, Ingenieur- und Bauwesen (AEC) genutzt, sondern etabliert sich zunehmend in weiteren Branchen – bis hin zum Endkunden:
- Hersteller – die automatische Sequenzierung von Aktivitäten ist hilfreich bei der industriellen Vorfertigung von Bauelementen; mithilfe von BIM-Modellen können Hersteller nach exakten Spezifikationen fertigen und die Bauteile nach Bedarf auf der Baustelle anliefern.
- Bauunternehmen – der Einsatz von BIM-Prozessen und XR IFC-Viewern auf der Baustelle erlaubt raschen Zugriff auf stets aktuelle Daten und einfache Visualisierung jeder Projektphase und damit effizienteres Arbeiten für Projektleiter und Bauarbeiter.
- Immobilienagenturen – Makler können Interessenten virtuelle Rundgänge durch Wohnung oder Haus anbieten und individuell in Echtzeit Raumausstattung oder Möbel in verschiedenen Bereichen gestalten.
- Gesundheitswesen – Vereinfacht die Planung, den Bau und die Inneneinrichtung von Spitälern Arztpraxen und anderen Räumlichkeiten im Fitness- und Therapiebereich.
- Versicherungen – Einsatz im Real Estate Bereich zur Visualisierung von bestehenden oder zu planenden Immobilien. Erhöht die Effizienz der Zusammenarbeit und vereinfacht die Kommunikation mit Investoren, Mietern, Bauherren und Bauunternehmen.